Selbstständig mit Kind – passt das zusammen? In unserem Gastbeitrag von Linda Rachel Sabiers geht es um ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Kinderkriegen und Freiberuflichkeit.
„Bevor du schwanger wirst, solltest du dich aber fest anstellen lassen.“
Freiberufliche Frauen, ob Single oder vergeben, werden diesen Spruch sicherlich nicht nur einmal gehört haben. Und abgesehen davon, dass dies ein verbaler Übergriff auf unsere private Mitte ist, werden Männer selten, seltener oder nie mit diesem wohl gemeinten und deplatzierten Rat konfrontiert.
Das Stigma Freiberuflichkeit und Kinderkriegen haftet an der selbstständigen Frau wie das Finanzamt an den Sohlen eines kreativen Tagträumers.
Natürlich, die Begriffe Mutterschaftsurlaub und Elternzeit sind verführerisch. Auch ich liege öfters nachts wach und bewege die Pros und Kontras von links nach rechts und von rechts nach links wie auf einem Rechenschieber. Und auf die Gefahr hin, in Trump’schen Jargon zu verfallen, empfinde ich diese zu treffende Entscheidung als unfair. Es ist unfair, dass ich als Frau mit dieser Wahl konfrontiert werde. Mein Weg von einer fest angestellten Junior Texterin hin zu einer freien Autorin, die ihr Dasein trotz aller Widerstände jeden Tag aufs Neue genießt, war steinig. Doch wie steinig ist der Weg mit Säugling und ohne Festanstellung?
Ein Lichtblick erhellt meine Stimmung immer dann, wenn ich in Richtung all der Elternpaare und Alleinerziehenden schiele, die es auch so schaffen. Die Freelance und Frederik, die Freiberuflichkeit und Freya unter einen Hut bekommen. Die spielend leicht von Auftrag zu Auftrag tänzeln, den Drahtseilakt aus freiwilliger Versicherung, privater Zusatzversicherung und Pflegeversicherung meistern, als sei das Leben ein ständig ausverkaufter Cirque du Soleil. Gewitterwolken ziehen über meiner Stirn nur dann auf, wenn man mich fragt, wann ich die Freiheit an den Nagel hänge, um im Schoße eines Arbeitgebers Kinder zu gebären.
Auf der gegnerischen Seite der Gebärmutter-Meisterschaften stehen Arbeitgeber. Jene Herren mit Schlips, die sich ungeniert bei einer Anfang dreißigjährigen Bewerberin erkunden, wann sie denn, nun ja, man wisse schon. Was soll sie wissen? Wann sie schwanger wird? Wann es mit dem Schwangerwerden klappt? Die richtige, ehrliche Frage würde lauten: „Wie viele Tage nach Ihrer Probezeit teilen Sie mir mit, dass sie schwanger sind?“
Der Teufelskreis aus Seelenstriptease und Gehirnwäsche lässt mich schwindelig werden. Mit 30 scheinen sich Freunde, vermeintliche Freunde, Kollegen und Eltern nur für ein Thema begeistern: Das sichere Vermehren auf dem fruchtbaren Boden unseres Sozialstaats. Bin ich asozial, wenn ich mein Kind in weniger skalierbaren Bedingungen gebäre? Bin ich egoistisch, wenn ich das Leben einfach auf mich zukommen lasse, auf mein Talent baue und hoffe, dass sich Freelance und Fruchtbarkeit vertragen wie wohlerzogene Geschwister?
Freiberuflichkeit ist eine Entscheidung. Oft intuitiv, selten aufgrund des unter Deutschen so großen Wunsches nach Sicherheit. Freiberuflichkeit ist eine Lebenseinstellung, ein teurer Lebensstil, den man mit Nerven und seiner natürlichen Haarfarbe bezahlt. Freiberufler sind Freiberufler, weil sie sich ihr Leben mit einem 9-to-5-Job nicht vorstellen können und möchten. Daher ist der Rat, Schwangerschaft und Festanstellung als Bedingung zu verkaufen, ein gut gemeinter, jedoch deplatzierter Rat. Oder um es in Madonnas Worten zu sagen: The road to hell is paved with good intentions.